Fast zwei Jahre haben sich Schülerinnen und Schüler der Freien Schule Anhalt mit Alfred Tokayer beschäftigt. Der jüdische Komponist wurde 1900 in Köthen geboren und war bisher eher unbekannt. Dabei ist sein Schicksal – vielleicht gerade jetzt – so erzählenswert. Tokayer wuchs in Köthen auf, studierte in Berlin und Frankfurt. Er ging ans Bremer Theater und an die Berliner Volksoper, bevor er 1935 nach Frankreich floh. Er diente als Fremdenlegionär in Marokko und dirigierte eine seiner Kompositionen im marokkanischen Rundfunk. Sein Weg führte ihn zurück nach Frankreich, wo er nach einem Fluchtversuch in einem Internierungslager seiner Eltern wiedertraf. 1943 wurde er deportiert und in Sobibor ermordet. Geblieben sind seine Lieder und das, was sein Schicksal heute mit Menschen macht.
Das sind die jungen Leute, die sein Leben aus Stücken zu einem ganzen zusammensetzten und der Vorstellung von Alfred Tokayers Zeit und Welt den Rahmen geben. Da ist Anna Pilch, die aus Liedtexten und der Arbeit im Projekt, aus Interpretation und eigener Vorstellungskraft ein Bildnis von Mado macht, Tokayers Partnerin, die man nie gesehen hat, doch an die man sich nun erinnern wird.
Da sind Nina Gurol und Derya Atakan, die Pianistin und die Sopranistin, die sich tiefgehend mit der Musik Tokayers auseinandersetzten und seine Kompositionen neu aufnahmen. Und da sind all die Menschen, die in das Projekt eingebunden waren und die sich zum Teil auch in der Ausstellung zeigen.
Mado wird als Herzensmensch Tokayers gezeigt und die Portraits der Schülerinnen und Schüler mit ihren Herzensmenschen umrahmen sie. So verbindet sich das Damalige mit dem Jetzt. Was heute Geschichte ist, die uns aus schwarz-weiß-Bildern anspricht, war einmal Gegenwart und die Hoffnung, das ein solches Verbrechen wie der Holocaust nie wieder geschieht, verbindet sich mit der Angst, die aktuelle Ereignisse erzeugt.
Die Ausstellung „Auf den Spuren Alfred Tokayers“ hat einen Menschen aus dem Vergessen geholt, um auf uns zu wirken.
Es ist unbedingt empfohlen, Kopfhörer und das Smartphone mitzunehmen, denn die von Nina Gurol und Derya Atakan aufgenommenen Lieder Tokayers sind über QR-Codes an einigen Ausstellungstafeln direkt zu hören. Mit Tokayers Musik im Ohr kann man seinen Weg verfolgen, an dessen Ende die Trauer wartet. Doch das Projekt soll nicht traurig enden, die Auseinandersetzung mit diesem Schicksal soll befruchten. So befinden sich im Foyer des Dürerbundhauses Karten mit der Frage: Was macht dir Hoffnung für die Zukunft? Denn Hoffnung ist und bleibt die Kraft, die den Menschen weitermachen lässt.
In einem seiner letzten Briefe schrieb Alfred Tokayer an einen Freund: „Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt, aber wir werden versuchen, sie mit so viel Courage und Hoffnung zu leben, wie wir es auch in besseren Zeiten getan hätten.“
Die Ausstellung im Dürerbundhaus ist voller Hoffnung und voller Courage, sie ist das wunderbare Ergebnis der Arbeit engagierter und liebevoller Menschen und eine Inspiration für ein Leben mit Träumen und denen, die man liebt.